Von der Unternehmenskultur

  • Hans M. Verheijke

Hans M. Verheijke

Gründer & Chairman
Business Performance Academy

Der Gründer und Chairman der Business Performance Academy blickt auf eine mehr als 35-jährige internationale Karriere als Führungskraft zurück.

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Artikel von Hans M. Verheijke,
Gründer und Chairman der Business Performance Academy

In den Jahrzehnten nach Kriegsende stand und fiel der Unternehmenserfolg mit Produktinnovationen und neuen Technologien. In Deutschland herrschte Vollbeschäftigung, der Arbeitsmarkt boomte. Seit Ende der achtziger Jahre treten andere Herausforderungen im Management in den Vordergrund - Rationalisierung, globale Konkurrenz, großflächiger Stellenabbau. Kostensenkung steht an erster Stelle, wenn es um effektives Wirtschaften und Unternehmenserfolg geht. Aber daneben hat sich ein weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor etabliert: Die gelebte Unternehmenskultur, die die Qualität eines Arbeitsgebers und seine Positionierung im Wettbewerb wesentlich mitprägen.

Es ist sehr motivierend zu sehen, dass das Streben nach einer guten Unternehmenskultur immer mehr zunimmt. Die Führungsstile sind moderner geworden, die Hierarchien flacher. Flexible Vergütungssysteme wurden etabliert, die Arbeitszeiten sind individueller einteilbar, Teamorientierung ist an der Tagesordnung. In Diskussionen rund um das Thema Unternehmenskultur und den damit verbundenen Werten fällt häufig auch der Begriff Ethik. Wenn wir jedoch Ethik in einem Atemzug mit professioneller Führung nennen, fühlt sich so manche Führungskraft nicht wohl in ihrer Haut.

Führung in heutigen Unternehmen ist unauflöslich verbunden mit Funktionalität und unternehmerischem Nutzen und dient letztlich der Gewinnmaximierung des Unternehmens. Wenn man als Manager sein Feld gut bestellt hat, wird auch das eigene Einkommen mit dem Gewinn des Unternehmens wachsen. Das bedeutet, dass der unternehmerische Erfolg zugleich mit dem persönlichen Erfolg der Führungsriege korrespondiert. Alle wissen das, doch keiner spricht es aus. Es ist ethisch fragwürdig, riecht nach Manipulation und ist definitiv allein auf das eigene Ego gerichtet.

Die aktuelle Finanzkrise bringt das Dilemma an den Tag. Sie ist durch Top-Manager verursacht worden, die jahrelang sowohl Menschen als auch Zahlen manipuliert haben. Das Wort Ethik gehörte sicher nicht zu ihrem Standard-Vokabular, geschweige denn, dass sie ihr Tun nach ethischen Grundsätzen ausgerichtet hatten. Der immer lauter werdende Ruf nach ethischer und sozial-bewusster Führung wird durch die weltweite Wirtschaftkrise weitere Anhänger finden. Besonders sensibel dafür werden die Opfer der Krise sein. Zu den Opfern gehört auch eine zunehmende Zahl von Führungskräften, die unter Burn-out leiden oder selbst von Arbeitsplatzverlust betroffen sind.
Führung hat auch unangenehme Seiten. Insbesondere empfinden das Menschen, die eine Ausbildung mit technischen Schwerpunkten haben. Viele haben sich noch nicht eingehend damit beschäftigt, wie man auf die natürlichen Bedürfnisse von Menschen, sprich Mitarbeitern eingeht und diese weiter entwickelt. Die Ära von “Sie müssen tun, was ich ihnen gesagt habe, und das werde ich streng kontrollieren” ist für die heutige Generation jedenfalls beendet. Die heutige Generation, auch „Generation Einstein” genannt, ist auf vielerlei Weise sozialer eingestellt als die heutigen 50- und 60-jährigen Führungskräfte.

Mit der sozialen Einstellung der neuen Generation haben wir das entscheidende Kriterium dafür, ethisch verantwortungsvoll zu führen: Respekt vor den Bedürfnissen und Anknüpfen an die Wünsche der Anderen. Diese These könnte den Eindruck erwecken, dass eine Führungskraft jederzeit dem zu folgen hat, was das Gegenüber will. Das ist selbstverständlich nicht gemeint.
Im Zentrum der Unternehmensethik steht ein Menschenbild, dass die Andersartigkeit von Menschen würdigt. Menschlicher, fördernder und respektvoller Umgang im Team bedeuten aber keinesfalls ein Laisser-faire in der Führung.
Ausgehend von der Annahme, dass man nur das managen kann, was man wahrnehmen kann, ist es wichtig, ethische Normen gemeinsam zu erarbeiten, konkret zu benennen und der Diskussion zugänglich zu machen. Erst nach diesem Schritt ist es möglich, die passenden Verhaltensnormen festzulegen und zu managen. Wenn beispielsweise als ethische Grundregel benannt wurde, das man stolz darauf sein soll, seinen Kollegen zu helfen, dann müssen konkrete Gelegenheiten, bei denen ein solches Verhalten gezeigt wurde, bekannt gemacht und auch durch andere wahrgenommen werden. Nur durch diese ständige Sichtbarmachung der gelebten Prinzipien können sich die passiven ethischen Normen in eine gelebte Kultur verwandeln.

Gerade jetzt wird von den Top-Executives nicht mehr nur Erfolg in Wachstum und Vertrieb abgefordert. Die soziale und emotionale Intelligenz ist zum wesentlichen Führungsfaktor geworden. Integrität, Glaubwürdigkeit, Krisen- und Stressresistenz sind wesentliche Kompetenzen des Managers von heute. Sie zu entwickeln sollte im Zentrum jedes Leadership-Trainings stehen. Ohne eine gelebte Führungskultur und ohne ein von allen akzeptiertes Wertesystem bleibt nicht nur das Unternehmen, sondern vor allem der Mensch auf der Strecke.