Leadership in stürmischen Zeiten
Hans M. Verheijke
Gründer & Chairman
Business Performance Academy
Der Gründer und Chairman der Business Performance Academy blickt auf eine mehr als 35-jährige internationale Karriere als Führungskraft zurück.
Vom Implosionsmanagement zum konnektiven Management
Artikel von Hans M. Verheijke,
Gründer und Chairman der Business Performance Academy
Zwei Beispiele aus unseren aktuellen Projekten haben es gezeigt:
Die Wirksamkeit von Change-Management-Prozessen und der zugehörigen Führungskräfteentwicklung hängt ganz entscheidend vom Verhalten der Führungsriege ab. Bei dem einen Unternehmen führen Leadership-Programme in Zeiten der Reorganisation zu einem erheblichen Anstieg der Motivation und der Unternehmensperformance. Beim anderen Unternehmen wird die prekäre Situation noch weiter verschärft. Demotivation, sinkende Mitarbeiterzufriedenheit und Stillstand sind die Folge. Mit einem zielgerichteten “Explosions-Management” kann man dieser Gefahr entgegentreten und das Unternehmen für eine erfolgreiche Zukunft rüsten.
In herausfordernden Zeiten wie diesen kommen nur wenige Unternehmen um eine Neuausrichtung oder eine vollständige Reorganisation herum. Manche Unternehmen geraten gar in einen Strudel mehrfacher Reorganisation, um mit den schnellen Entwicklungen Schritt zu halten. Nicht selten bleiben dabei die Mitarbeiter auf der Strecke. Nicht nur jene, die ihren Job verlieren, sondern auch die, die im Unternehmen bleiben.
Dem Management kommt hier eine riesige Verantwortung zu. Es muss die Mitarbeiter und Teams durch die herausfordernden Phasen leiten und ihnen helfen, mit der Unsicherheit klarzukommen und sogar Motivation und Leistung noch zu erhöhen. Durchhalteparolen allein sind nicht genug. Jetzt braucht es Strategien, die Energien aktivieren, die Mut machen, die das Selbstvertrauen stärken.
Wir sehen in unserer Projektarbeit immer wieder, dass sich fast 90 % der Reorganisationsmaßnahmen oder Fusionen auf Strategien und Strukturen beziehen. Hieran wird in der Führungsspitze intensiv gearbeitet. Aber was passiert mit der Umsetzung? Wie wird die Neuausrichtung kommuniziert? Wie werden die Mitarbeiter mit ins Boot geholt? Auf diese Fragen haben nur wenige der Change-Manager eine passende Antwort. Nachdem die Planung abgeschlossen ist und die neuen Strukturen entwickelt sind, haben viele Führungskräfte das Gefühl, ihre Arbeit erledigt zu haben. Dabei fängt die eigentliche und wichtigste Arbeit jetzt erst an: Der Rest der Organisation muss für die Neuerungen und Pläne interessiert und motiviert werden.
Veränderungen in Unternehmen werden selten mit Jubel begrüßt. Oft haben die Mitarbeiter schon früher schlechte Erfahrungen mit Veränderungsprozessen gemacht und eine negative Haltung entwickelt. Aussagen wie “Man hat sich wieder was ausgedacht, doch das wird auch bald wieder vorbei sein” oder „Denen fällt auch immer was Neues ein“ prägen die Gespräche der Kollegen.
Die Reaktionen sind verständlich: Meist werden die Reorganisationsmaßnahmen von einer kleinen Führungsgruppe erarbeitet, und das Management holt nicht alle Mitarbeiter und Teams an Bord. Das Fehlen von Transparenz, ein autoritärer Führungsstil und mangelnde Kommunikation lassen keine Identifikation mit der Neuaufstellung entstehen.
Der Prozess einer “kulturellen Implosion” beginnt und greift wie ein Spuk um sich. Mitarbeiter, die mit Ignoranz, Widerwillen oder Ablehnung auf Veränderungen reagieren, erzeugen ein Vakuum im Herzen des Unternehmens, das sich später kaum noch füllen lässt. Angst und Verunsicherung greifen um sich. In Zeiten der Veränderung und Reorganisation denkt der Mensch als erstes an sich selbst: Was bedeutet das für meine Arbeit, bekomme ich einen neuen Chef, werde ich versetzt oder vielleicht sogar gekündigt?
Verunsicherung und Selbstbezogenheit haben eine starke Auswirkung auf die Arbeit und die Ergebnisse. Die Motivation sinkt, die Produktivität geht zurück, defensives Auftreten wird gefördert. Die Mitarbeiter agieren vorsichtig und zurückhaltend. Statt zunehmender Initiative, wie sie gerade jetzt gefragt ist, werden Ideen eher zurückgehalten, um nicht noch mehr Unruhe zu schaffen. Der Kommunikations- und Informationsfluss in der Organisation stagniert und die Veränderungen setzen sich nicht durch. Statt Problem-lösendem Denken und Aktions-gerichtetem Handeln macht sich Untergangsstimmung und reaktionäres Verhalten breit. Man sucht seine Leidensgenossen, um kollektiv zu klagen, die “kulturelle Implosion” verstärkt sich.
Ein solches „Implosions-Management“ weist folgende Merkmale auf:
- “Schein”-Engagement und/oder Verleugnung der Wichtigkeit der Veränderung
- “Ich”-gerichtetes Reagieren und Handeln
- Kein oder wenig Interesse an Kunden
- Abnahme von Initiative, Qualität und Effizienz
- Abnehmende persönliche Selbstsicherheit und Motivation
- Zunahme von Stress und emotionalen Konfliktsituationen
- Formung “unsichtbarer” Anti-Gruppen
- Vergangenheitsgerichtete Kommunikation
Einbeziehung der Mitarbeiter als Erfolgsfaktor
Die Hay Group hat 2009 eine weltweite Untersuchung mit einer Million Menschen gemacht. Die Untersuchung hat ergeben, dass führende Unternehmen unter den heutigen ökonomischen Umständen die Beteiligung der Arbeitnehmer vergrößern. Das Umsatzwachstum dieser Organisationen ist 4,5-mal so groß wie das von Nachzüglern in diesem Bereich.
Sie haben erkannt, dass die persönliche Motivation der Schlüssel ist, um einen Veränderungsprozess in Gang zu setzen. Das erfordert vom Top Management spezifische Kompetenzen, die weit über die traditionelle, mehr kontrollierende Führung hinausgehen.
Bei einer Reorganisation werden enorme Kräfte in einer Organisation frei. Die Auswirkungen nach innen (Implosion) oder nach außen (Explosion) ist zu 100% abhängig vom konkreten Beitrag des Top Managements. Ein Mangel an Klarheit bei strategischen Entscheidungen und überholte Führungsstile vergrößern die Unsicherheit und führen dazu, dass sich die Kräfte nach innen richten.
Durch eine gezielte Entwicklung der Führungskompetenzen kann man hier gegensteuern. Das Ziel solcher Leadership Development Programme muss es sein, strategische Entscheidungen so “top down” zu transportieren, dass Motivation, Effektivität, Zusammenhalt und Unternehmensperformance deutlich ansteigen. Statt eines Implosions-Managements ist ein Explosions-Management oder ein konnektives Management gefragt.
Die Merkmale eines “Explosions-Management” sind:
- Volles Engagement bei Beschlüssen und Zielformulierungen
- Identifikation aller Mitarbeiter mit dem Unternehmen und mit dem Management
- “Wir”-gerichtetes Handeln
- Eine große Anzahl von Initiativen und kreativen Lösungen
- Große Selbstsicherheit und ausgeprägte Motivation
- Ziel und opportunistische Kunden-Strategie
- Bildung von Aktionsgruppen, die gemeinsam die Probleme lösen
- Unterstützung durch externe Partner
Die Merkmale eines “Konnektiven Managements” sind:
- Volles Engagement und die Beteiligung aller an der Entscheidungsfindung
- Eine klare Unternehmensphilosophie und Werteausrichtung
- Aufbau von Empowerment für die Entwicklung der Mitarbeiter
- Hohe Selbstmotivation der Leader, um die Kompetenz der Mitarbeiter positiv zu beeinflussen
- Ausbau langjähriger Kunden-Beziehungen
- Gutes Selbstmanagement und Zielgerichtetheit
- Teilen von Informationen und eine motivierende Einstellung
- Arbeiten in Teams und Verbundenheit durch virtuelle Netzwerke
- Stärkung der Coaching-Kompetenzen der Führungskräfte, mit dem Ziel, die anderen erfolgreich zu machen
Implosiv - Explosiv - Konnektiv
Krisenmanagement ist “good people management”: Entscheidend ist, wie viel Leidenschaft die Menschen entwickeln, um sich vereint hinter die neuen Strategien zu stellen. Entscheidend sind die Kompetenzen der Führungskräfte. Sie müssen die Mitarbeiter mitreißen - durch außergewöhnliche Leistungen, Ideen und kalkulierbare Risiken. Sie müssen sich neben den strategischen Faktoren um die emotionale Befindlichkeit ihrer Mitarbeiter kümmern und den Einzelnen ernst nehmen.
Es gilt, die betroffenen Mitarbeiter – und zwar auf allen Hierarchieebenen – auch psychisch zu stärken, um so gemeinsam durch stürmische Gewässer zu segeln. Durch gezielte Führungskräfteinterventionen werden Ihre Manager befähigt, diese schwierige Aufgabe zu meistern. Sie reflektieren an dieser Stelle das eigene Führungsverhalten und werden für die bevorstehenden Aufgaben und Herausforderungen sensibilisiert.
Den Führungskräften kommt also eine besondere Aufgabe zu: Sie sind nicht einfach nur Strategieumsetzer, sondern auch Vorbild und Coach ihrer Mitarbeiter. Sie müssen den Wandel so managen, dass Produktivität und Motivation sogar noch zunehmen. Sie müssen sicherstellen, dass auch die Top-Leute bleiben und das Unternehmen nicht als sinkendes Schiff betrachten und verlassen. Sie müssen ein aktives Talent-Management forcieren, das die Stärken der Kollegen weiter stärkt und ausbaut. Machen statt meckern, Mitgestalter statt Opfer, wir statt ich – das muss die Devise in stürmischen Zeiten sein.
Ein Kapitän und seine Offiziere alleine können kein großes Schiff durch den Sturm steuern. Aber eine Mannschaft, die zusammenhält, in der jeder an seinem Platz ist und seine Aufgabe mit Anerkennung und Wertschätzung erfüllt, wird das Schiff sicher durch alle Untiefen lenken. Wenn im richtigen Moment die richtigen Segel gesetzt werden, dann geht es weiter: Volle Kraft voraus.